Das „Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG)“, das am 31.01.2023 als deutsches Umsetzungsgesetz der europäischen Umwandlungsrichtlinie (EU) 2019/2121 in Kraft getreten ist, und das bereits länger bestehende „Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG)“ regeln die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Spaltungen, Formwechseln und Verschmelzungen und die im Anschluss geltenden Mitbestimmungsrechte im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan (sog. Unternehmensmitbestimmung) der aus der Umwandlung hervorgehenden Gesellschaft.
Nach dem MgVG und dem MgFSG ist unter bestimmten Voraussetzungen bei Umwandlungsmaßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) ein sogenanntes Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchzuführen. Ziel des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens ist es, Mitbestimmungsrechte, die Arbeitnehmern in einem Aufsichts- oder Verwaltungsorgan einer an einer Umwandlung beteiligten Gesellschaft zustehen, in einem europaweit einheitlichen Verfahren dauerhaft zu sichern.
Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren – Ablauf und Dauer
Das im MgFSG und im MgVG geregelte Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren besteht aus
- der Wahl eines – in der Regel international besetzten – besonderen Verhandlungsgremiums der Arbeitnehmer („BVG“) der an der Umwandlung beteiligten Gesellschaften und deren Tochtergesellschaften (Dauer: bis zu zehn Wochen) und
- Verhandlungen zwischen den Unternehmensleitungen und dem BVG über den Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung über die Unternehmensmitbestimmung nach der Umwandlung (Dauer: grundsätzlich bis zu sechs Monate).
Das Verhandlungsergebnis orientiert sich regelmäßig am mitbestimmungsrechtlichen Status quo vor der Umwandlung.
Voraussetzungen eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens nach dem MgFSG und MgVG
Die Regeln des MgFSG und des MgVG zum Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren gelten für Gesellschaften in Deutschland, die aus grenzüberschreitenden Formwechseln, Spaltungen oder Verschmelzungen nach Deutschland hinein hervorgehen. Spiegelbildliche Vorschriften für Umwandlungsfälle aus Deutschland heraus sind jedoch auch in den Gesetzen anderer EU-/EWR-Mitgliedstaaten enthalten.
Die Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan einer Gesellschaft bestimmt sich in einer aus einer grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgehenden Gesellschaft grundsätzlich nach dem Sitzstaatsprinzip. Spaltet eine deutsche GmbH einen Unternehmensteil ab, der zu einer luxemburgischen SA wird, gilt somit grundsätzlich luxemburgisches Recht. Zum Schutz vor einer „Flucht aus der Mitbestimmung“ sind Unternehmen jedoch unter den folgenden Voraussetzungen verpflichtet, ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchzuführen und mit einem BVG der Arbeitnehmer über die Mitbestimmung zu verhandeln:
- wenn die bisher bestehenden Mitbestimmungsrechte gemindert würden,
- wenn das an sich geltende inländische Mitbestimmungsrecht ausländische Arbeitnehmer benachteiligen würde,
- wenn eine an der Umwandlung beteiligte Gesellschaft in den sechs Monaten vor Offenlegung des Umwandlungsplans durchschnittlich eine Arbeitnehmerzahl von mindestens vier Fünfteln des Schwellenwerts für Mitbestimmung hatte („4/5-Regel“).
Das Umwandlungsvorhaben kann in diesen Fällen nur dann im Register eingetragen werden, wenn die Geschäftsleitungen der beteiligten Gesellschaften und das BVG entweder eine Vereinbarung über die künftige Mitbestimmung geschlossen haben oder wenn nach ergebnislosem Ablauf der Verhandlungsfrist gesetzliche Auffangregeln zur Anwendung kommen, die das vor der Umwandlung bestehende Mitbestimmungsniveau aufrechterhalten („Vorher-nachher-Prinzip“).
Ergebnis des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens: Mitbestimmung nach MgFSG und MgVG
Bei grenzüberschreitenden Formwechseln und Spaltungen ist das vor der Umwandlung geltende Mitbestimmungsregime streng in Bezug auf alle Komponenten geschützt – ein Herunterhandeln der Mitbestimmung ist nicht möglich. Bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen kann die bisherige Mitbestimmung demgegenüber einvernehmlich reduziert oder wegverhandelt werden. Bei grenzüberschreitenden Spaltungen führt der strenge Mitbestimmungsschutz sogar zu einer Vervielfältigung der Mitbestimmung – selbst dann, wenn in abgespaltenen Unternehmensteilen die relevanten Mitbestimmungsschwellenwerte gar nicht mehr erreicht werden. Unabhängig vom Erreichen der Arbeitnehmerzahl gilt beim übertragenden Rechtsträger das bisherige Mitbestimmungsrecht für die Dauer von fünf Jahren nach Wirksamwerden der Spaltung fort, es sei denn, die Arbeitnehmerzahl sinkt auf weniger als ein Viertel der Mindestzahl des jeweiligen Schwellenwerts.
Im Fall grenzüberschreitender Verschmelzungen können die Unternehmensleitungen nach wie vor beschließen, ohne vorherige Verhandlungen direkt die gesetzlichen Auffangregelungen anzuwenden, wenn mindestens für eine der beteiligten Gesellschaften ein System der Mitbestimmung gilt. In diesem Fall wird das vorhandene Mitbestimmungsregime (zum Beispiel Drittelbeteiligung) dauerhaft „eingefroren“.
War eine Gesellschaft aufgrund der 4/5-Regel bereits vor dem Formwechsel/der Spaltung nicht mitbestimmt, ist sie es auch nach der Umwandlung nicht. Wird das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren in diesem Fall abgeschlossen, kann die Mitbestimmungsfreiheit somit gleichfalls „eingefroren“ werden. Dies gilt nicht, wenn das BVG beschließt, keine Verhandlungen aufzunehmen oder Verhandlungen abzubrechen – in diesem Fall gilt das Recht des Sitzstaats der aus der Umwandlung hervorgehenden Gesellschaft.
Due Diligence: Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren bei nachfolgenden innerstaatlichen Umwandlungen
Innerhalb von vier Jahren nach Wirksamwerden einer grenzüberschreitenden Umwandlung werden bestehende Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in der aus der Umwandlung hervorgegangenen Gesellschaft bei nachfolgenden innerstaatlichen Umwandlungen in der Weise geschützt, dass erneut ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchgeführt werden muss. Welches Gesetz hierfür anzuwenden ist – das MgFSG mit seinem strengen Bestandsschutz oder das weniger strenge MgVG – bemisst sich nach der ursprünglichen grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahme. Diese Regelung ist bei Umwandlungen unbedingt im Blick zu behalten und bei der zeitlichen Planung von nachfolgenden innerstaatlichen Umwandlungen zu berücksichtigen. Sie gehört auf die Liste der arbeitsrechtlichen Due Diligence bei Umwandlungsvorhaben.